Die Luft der von Sternen übersäten Nacht machte sie alle glücklich und waren sie jetzt schon losgelöst, so wurde es endlich unwirklich. Die alten Inkakönige schwirrten um sie herum und beschworen die Sonnensteine. Cortez ritt auf seinem Pferd an ihnen vorbei und rasselte mit dem Säbel.
Leise singend fanden sie ihr Hotel und fielen endlich in die alten, ausgeleierten, und doch unendlich weichen Betten.
Ihre Träume waren weiß wie Schnee. Rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz.
Sie erwachten bei süßen Medialunas, Cocatee und leichtem Kopfschmerz. Ein letzter Tag in Cuszco. Ein letzter Tag unter diesem blauen Himmel. Der Morgen war strahlend. Ein christlicher Tag.
Weiß flatterten kleine Mädchen in langen Kleidern zu ihrer ersten heiligen Kommunion. Sie schwirrten an den Freunden vorbei und zwitscherten wie kleine Vögel. Die schwarzen Haare schimmerten unter Blütenkränzen aus Papier.
Angetrieben von den Müttern, die steilen Straßen hinauf und hinunter gescheucht, von den Frauen in ihren bunten Lagen und Lagen von Röcken, noch bunteren Tüchern und gut behütet, wie es Brauch ist.
Blüten über Blüten flogen von ihren braunen, abgearbeiteten Händen auf die Töchter und Söhne in kleinen Anzügen. Schwebten im Wind, der von den Bergen her wehte. Legten sich auf die Straße, die Kinder, die Alten. Wie pflaumige Federn, wie Schnee. Kein Lächeln auf den Gesichtern, aber doch so etwas wie ein Strahlen. Versteinerte Gesichter glänzten in der kalten Luft.
Chavela glaubte, auf Wolken zu laufen. Die Zeit war entrückt, langsamer, blieb stehen.
Dann wandte sie den Kopf und schaute zufällig in eine kleine, enge Seitenstraße, eine Gasse nur, mehr nicht und wußte doch, dass es kein Zufall sein konnte. Dass es eine kleine, verloschene Stimme gewesen war, die ihren Namen geflüstert hatte.
Sie trat aus der Zeit heraus und in die Gasse hinein. Die plaudernden Freunde bemerkten ihre Abwesenheit erst, als sie schon ganz in ihr verschwunden war. Sie schauten zurück, folgten ihr, wurzelten in ihrem Rücken wie versteinerte Bäume, die das Verdorren des Landes nicht mehr länger ertragen konnten.
Die schweren Stiefel steckten tief in weißen Blüten. Mehr Blüten, als in den anderen Straßen, mehr Blüten, als der Wind tragen konnte, mehr Blüten, als vom Haupte der Kathedrale hinab wehten.
Mehr Federn, mehr Schnee. Weiß lagen die Blüten auf einer schwarzen Brust. Rot waren sie dort, wo gestern noch das vom Tanzen warme Herz geschlagen hatte. Weiß lagen sie auf gebrochenen Beinen, zerschundenen Armen, einem vergangenen Gesicht. Wer nur, konnte so etwas tun? Etwas so Zartes, Schönes auslöschen, zerbrechen.
Ein kleiner Eiffelturm lag in kalten Fingern. „Ihr seid meine Freunde, oder? Dann nehmt Euch meiner an.“
Von den schneebedeckten Bergen zog ein eisiger Wind hinab. Aus den Urwäldern unter ihnen, der süße Duft des Vergessens. Camino, endloser Weg durch die Traurigkeit.
Camino, grüner Teppich auf alten Stufen, gebettet in einen regenfeuchten, nebelverhangenen Urwald.
Tage der Gegenwart entrückt, gestohlene Stunden in der Vergangenheit.
Chavela schaute auf ihre Stiefel. Jetzt war sie wie alle hier. Sie hatte kein Lächeln mehr.