Presse Artiekl vom 27.04.2007 in der Wiener Zeitung von Brigitte Borchhardt-Birbaumer(Quelleangabe unten)
Das Sehen wird neu erfunden
Das MAK zeigt im Rahmen der Reihe "Künstler im Focus" die "Sehmaschinen" von Alfons Schilling
Im MAK fordern die „Sehmaschinen“ von Alfons Schilling auf, das eigene Sehen zu überdenken. Foto: MAK/Woessner
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Alfons Schilling gehört zu den großen Experimentatoren, die im Umkreis der Wiener Aktionisten ein eigenständiges Werk entwickelt haben. Nur am Anfang trieb ihn die wilde Geste, er hat aber die Theatralik von Happenings nie mit dem Drang zum Delikt kombiniert.
Nach dem Bau rotierender Bilder, 1961 in Paris, ging er in die USA und widmete sich seiner speziellen Wissenschaft des Sehens. Er baute für seine Vorstellung einer Erweiterung der Malerei eigene Sehmaschinen, die ihm nicht nur andere Dimensionen durch mit Spiegeln erweiterte Augenwinkel eröffneten, sondern auch verkehrte Bilder und größere Raumtiefen erschlossen.
Nebenprodukte als Hauptwerke
Aus den "Nebenprodukten" wurden Hauptwerke, die mit den begleitenden Skizzen zwischen Kunst und Wissenschaft korrespondieren. All das passierte lange bevor dies im künstlerischen Vorgehen wesentlich wurde. 2006 konnte das MAK diese Sehmaschinen ankaufen und zeigt sie nun nach zwanzig Jahren ein zweites Mal bis September in der Schausammlung Gegenwart unter dem Dach.
Die mit Rad und Vogel titulierten Holz-, Spiegel- und Linsenkonstrukte haben nicht an innovativem Flair verloren, auch wenn der Künstler seine fünfzig Kilo schweren Geräte heute nicht mehr in die Landschaft tragen kann.
In New York kam es auch zu fotografischen Experimenten Schillings mit Linsenrasterfotografie und Holographie. Die analoge Kamera und ihre Ergebnisse sind für ihn eine zyklopische Angelegenheit. Die "Lichtpumpe" (1981) erinnert formal an ein Barockgesims, da hat er wohl die Wiener Architekturwelt auf seine Schultern geladen, in der Hoffnung sie durch Bewegung zu verändern.
Die Erweiterung des Sehens
Ein frühes gezeichnetes Skizzenbuch aus Mali von 1977/78 weist auf Schillings Interesse an der Befestigung von Masken an Kopf und Körper.
Wie die experimentierende Architekturavantgarde um Hans Hollein, Walter Pichler und Raimund Abraham, benützte auch Schilling seine transportablen Maschinen, um das Sehen mittels Bewegung, Gewicht und Linsentechnik zu erweitern. Damit wurde er, obwohl die Malerei ihn wahrnehmungstheoretisch stets weiter beschäftigte, zur Ausnahmerescheinung. Aber auch die Schnittstelle hin zur Fotografie erkannte er lange vor der großen Begeisterung für ein Crossover der künstlerischen Medien. Zudem wählte er sich die Aufstände in Chicago 1968 als Thema und dokumentierte auch die Anwesenheit von Jean Genet zwischen Demonstranten und brennenden Autos.
Am Hudson River hat Schilling ein gigantisches Stereoskop im öffentlichen Raum hinterlassen – für alle New Yorker, die ihren Blick erweitern wollen.
Alfons Schilling
Sehmaschinen 007
MAK Schausammlung
Gegenwart
Kurator: Rüdiger Andorfer
Zu sehen bis 30. September
Lehrgang im Anders-Sehen.
Quelle:
http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3907&Alias=wzo&cob=281071